Die Retzer Höfe im Mittelalter
Im Dorfkern (zu den Berghöfen später) sind im Mittel alter - wahrscheinlich schon vor den ersten urkundlichen Erwähnungen - zu den beiden Gründungshöfen noch fünf weitere dazugekommen.
Ein alter Höfereim, den der Ziegler Friedrich Gronemeier dem lippischen Heimatforscher Dr. August MeierBöke 1946 vortrug, nennt uns die Namen der ältesten Hofstätten im Retzer Dorfkern:
Krumme hät n leijen Feot Lehbrink seggt: „Denn schmeer 'n geot!" Bickerfräggt: „Wormet?" Hebrock seggt: „Met Chausefett!" Beining fräggt: „Wor kriegt man dat?" Fricke seggt: „Eck hebb' nau wat!" Röppt Burmeier, de Kliutentreier: „Eck floid' juff wat!"
Krumme hat einen schlimmen Fuß. Lehbrink sagt: „Dann schmier ihn gut!" Bicker fragt:,,Womit?" Hebrock sagt: „Mit Gänsefett!" Beining fragt: „Wo kriegt man das?" Fricke sagt: „Ich habe noch was!" Ruft Burmeier, der Klutentreter: „Ich flöte euch was!"
Die beiden letzten Verse werden verständlich, wenn man weiß, dass Burmeier nicht zu den ältesten Höfen gehörte, sondern um 1600 „Nachfolger" eines der ältesten wurde, des Hasenhofes, und dass Burmeier ab 1658 mit den anderen in einem jahrelangen Streit um ein Kapellengrundstück lag. Dazu heißt es in der Lehbrinkschen Hofchronik:
Bis 1570 bestand in Retzen in der Nähe von Kämpers Hof eine Kapelle, die nach der Reformation mehr und mehr verfallen war. Den Kelch aus der Kapelle hatten die Landwirte verkauft und den Erlös in ihre Taschen fließen lassen. Ferner gehörten zu ihr rund 12 Scheffel Land (= 2 Hektar) an der Lemgoer Straße, die ein Burmeier in Retzen sich angeeignet hatte.
Deshalb entstand um 1658 eine heftige Fehde zwischen diesem und den übrigen Landwirten der Dorfschaft, die bis 1701 dauerte. Die Meier Lehbrink, Krumme, Fricke, Hebrock, Bicker und Beining verlangten 1658 von Burmeir, „der seit dreißig Jahren bei ihnen wohne", zwei Taler Weidegeld „aus etlichen Ländereien genannt die Burre". Burmeier weigerte sich. Daraufhin hielten ihm die Gegner ein ganzes Sündenregister vor:„als Bauerrichter sei er abgesetzt worden. Er solle sich ehrlich ernähren, das bisherige müßig- und schlenterngehen abstellen, und davor den Pflug und Flegel, wie seinesgleichen und noch größere tun müssten, führen."
Wenn Burmeier nun das Feld bestellt hatte, gingen die Retzer Landwirte des Nachts hin, pflügten es um und säeten Hafer darauf.
Der Streit ging aber zugunsten von Burmeier aus. Das Flurstück „Die Burre" gehört heute noch zum Hof Burmeier. Der Ziegler Gronemeier war übrigens der Schwiegervater des langjährigen Gemeinderatsmitgliedes Wilhelm Rehberg, genannt „Holsken-Rehberg".
Vielen Retzer Mitbürgern sind die Hofstätten bekannt, der jüngeren Generation und den Neubürgern zur Orientierung die Namen der heutigen Besitzer und die Lage:
Lehbrink
Udo Schirneker-Reineke
Alte Landstraße 55
Hebrock
Udo Schirneker-Reineke
Papenhauser Straße 10
Krumme
Horst Neese
Alte Landstraße 53
Bicker
Ernst-Albrecht Obermeier
Papenhauser Straße 12
Fricke
Wilhelm Fricke-Begemann
Papenhauser Straße 11
Hase/Burmeier
Karl Burmeier
Korl-Biehgemann-Straße 12
Zu diesen sieben Althöfen im Ortskern sind noch die in dieser Zeit schon vorhandenen drei Berghöfe zu zählen.
Volkhausen
Eikhof
Eckhard Begemann
Eikhof 3
Sunderhof
Familie Breder
Sunderhof 6
Wie schon erwähnt, bestanden zwischen den Hofgründungen Altersunterschiede. In der Aufstellung des Landschatzregisters des Kirchspiels Schötmar von 1535 haben wir den direkten Beweis, dass der Sunderhof ein „Ableger" des Eikhofes ist: „Sundermann tom Eckhoue", sunder = abgesondert. Dass sich die Höfe im Dorfkern genauso entwickelt haben, legt die Flurkarte sehr nahe: Danach dürfte Krumme ein „Ableger" von Lehbrink sein und Hebrock von Beining. Der Komplex Bicker-Hase-Fricke war wohl eine eigene Gründung, die sich später in gleicher Weise geteilt hat. Diese Höfe blieben bis in unser Jahrhundert hinein die größten in Retzen. Auch das Größenverhältnis zueinander änderte sich durch die Jahrhunderte kaum:
Im Landschatzregister von 1535 ist die Höhe dieser an den Landesherrn zu zahlenden Steuer, des „Landschatzes", die nach der Hofgröße festgesetzt wurde, in Gulden aufgeführt
de Meigerto Volkersen (Volkhausen) 7
Lebrinck to Retzenn (Lehbrink) 51/2
Bernd Beninck (Beining) 4
de Eckmeigertom Eckhoue (Eikhof) 3
de Bycker (Bicker) 21/2
de Hase um 1600 2
weggefallen
Sundermann tom Eckhoue (Sunderhof) 2
Fricke (Fricke) 111/2
de Krumme (Krumme) 1 1/2
Lubbecke Heybröck (Hebrock) 11/2
Als 1766 erstmals Hausnummern eingeführt wurden, war die Reihenfolge, die sich ebenfalls nach der Größe richtete, fast nur durch Wegfall des Hofes Hase verändert und blieb so bis ins 20. Jahrhundert:
Nr. 1 Volkhausen
Nr. 2 Lehbrink
Nr. 3 Eikhof
Nr. 4 Beining
Nr. 5 Bicker
Nr. 6 Sunderhof
Nr. 7 Fricke
Nr. 8 Krumme
Nr. 9 Hebrock
Wenn sogar die Namen der Bauern - teils bis heute – gleich blieben, liegt es daran, dass früher nicht Familiennamen, sondern Hofnamen geführt wurden.